Künstliche Intelligenz (KI) bzw. Artificial Intelligence (AI) ist heute in aller Munde.

Die Technologie erzielt Durchbruch um Durchbruch: besonders schlagzeilenträchtig, wenn zum Beispiel ein Computer von Google den weltbesten Profispieler im Brettspiel Go schlägt (Alpha Go 2016).

Zukunftsforscher sind sich einig, dass die Technologie ganze Berufszweige und Branchen auf den Kopf stellen wird (Quelle).

Aber lässt sich Intelligenz künstlich – wie im Labor (vgl. Bild) – herstellen? Und was haben Chatbots damit zu tun?

Was ist Artificial Intelligence (AI)? Was bedeutet Künstliche Intelligenz (KI)?

Artificial Intelligence (AI) oder zu deutsch Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Feld der Computerwissenschaften.

Ist von AI die Rede, geht es meist um das prägendste Instrument daraus: Machine Learning (ML).

Das führt zur nächsten Frage:

Was ist Machine Learning?

Zwei der gebräuchlichsten Definitionen:

Field of study that gives computers the ability to learn without being explicitly programmed”.

Arthur Samuel 1959

Quelle

Machine learning is the science of getting computers to act without being explicitly programmed.

Andrew Ng

Quelle

Maschinelles Lernen bedeutet vereinfacht gesagt: erst lernt ein Computer Muster zu erkennen, danach wendet er diese auf neue Inputs selbstständig an.

Aus menschlicher Sicht wirkt der Computer somit (künstlich) intelligent.

Am häufigsten lernen Computer unter Aufsicht. Man spricht dabei von supervised learning. Entwickler greifen auf umfassende Datensätze zurück, die bereits so gekennzeichnet sind, wie sie der Computer anschliessend selbstständig kennzeichnen soll (“labeled data”).

Mit diesen Trainingsdaten lernt die Maschine, wird der Algorithmus trainiert.

Damit Alpha Go von Google den Weltbesten Profispieler im Brettspiel Go schlagen konnte, analysierte er erst Tausende von früheren Spielen. So lernte der Computer die Regeln. Danach war er in der Lage, das Gelernte in einem Spiel anzuwenden – und zu gewinnen.

Wie Sebastian Thrun, ein führender AI-Spezialist, zusammenfasst:

Machine Learning setzt grosse Datenmengen voraus und ist stark in einer sehr spezifischen, repetitiven Aufgabe.

Sebastian Thrun

Oder anders formuliert: Alpha Go kann nicht Schach spielen.

Mehr in diesem sehr sehenswerten Ted -Talk.

Was ist nun ein AI-Chatbot?

Ein AI-Chatbot ist eine Software, die eine automatisierte Unterhaltung ermöglicht und auf AI setzt, damit die Unterhaltung gelingt.

Die Herausforderung aus technischer Sicht: die Sprache.

Wir Menschen haben gelernt, erhaltene Botschaften zu interpretieren. Worte, Kontext aber auch subtile Dinge wie Tonalität, Mimik oder Körpersprache mit einzubeziehen.

Dennoch führt selbst die Kommunikation zwischen Menschen zu Missverständnissen. Das macht die Aufgabe für Computer nicht leichter.

Aus technischer Sicht handelt es sich bei Sprache um unstrukturierte Daten. Die Daten sind z.B. nicht in einer Datenbank oder Tabelle eingeordnet.

Damit ein Chatbot nun versteht, welche Absicht sich hinter unstrukturierten Daten verbirgt, setzt er auf eine bestimmte Form von AI: Natural Language Processing (NLP). Nicht zu verwechseln mit Neuro-Linguistic Programming.

Was ist Natural Language Processing (NLP)? Was ist Natural Language Understanding (NLU)?

Natural Language Processing (NLP) ist eine Form von Artificial Intelligence (AI), die menschliche Sprache analysiert.

AI-Chatbots setzen auf eine Komponente von NLP: Natural Language Understanding (NLU).

Mit NLU analysiert ein Chatbot, was ein User sagt und versucht dann, die Absicht zu verstehen. Hier spricht man von einem Intent.

Der grosse Vorteil für User:

Wer sich mit einem AI-Chatbot unterhält, spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

Kritische Stimmen wenden aber ein:

Even the best {NLP Platform} is limited compared to what a half-asleep human can do.

Quelle

In einem Dialog zwischen zwei Menschen kann eine Frage durchaus lang werden. Chatbots haben selbst mit NLU-Unterstützung oft Mühe.

I’ve found that around fifty characters is the point where the length of a user utterance begins to get problematic.

Mehr

Oder mit anderen Worten: Menschliche Sprache mit Software zu analyisieren ist in einfachen Dialogen möglich. Das Risiko, die Grenze des heute technisch Möglichen zu erreichen, ist aber nicht zu unterschätzen.

Mehr über NLP

Darüber hinaus setzen Chatbot-Entwickler auf weiteren Ebenen auf Machine Learning: zum Beispiel, indem sie Profile der Nutzer erstellen, um so passende Empfehlungen auszuspielen. Diese Anwendungen werden aber auch unabhängig von Chatbots eingesetzt.

Welches sind die wichtigsten NLU-Services?

Natural Language Processing (NLU), die maschinelle Verarbeitung natürlicher Sprache, ist die unmittelbarste Anwendung von Machine Learning in der Chatbot-Entwicklung.

Praktisch alle IT-Giganten haben ein NLU-Angebot:

Zunehmender Beliebtheit erfreut sich Rasa, ein Open Source-Framework

Ein Beispiel einer Unterhaltung mit einem AI-Chatbot

Ein User fragt einen E-Commerce-Chatbot: Verrechnet ihr Liefergebühren?

Ein AI-Chatbot versucht nun mit NLU zu erkennen, was der User möchte und wie er reagieren soll.

Er erkennt die Frage und die Absicht (Intent): Auskunft erhalten.

Mit dieser Information greift der Chatbot nun auf das hinterlegte Wissen, die Knowledge Base, zu und erkennt das Thema (Entity): Liefergebühren.

Als Nächstes gibt der Chatbot die bereits hinterlegte Antwort aus.

Wenn der E-Commerce-Store verschiedene Liefergebühren verrechnet, abhängig z.B. vom Mindestbestellwert, vom Gewicht der Lieferung oder vom Standort des Kunden, wird er eine Rückfrage stellen.

Mit dem entsprechenden Input kann der AI-Chatbot nun eine präzisere Antwort geben.

Ein komplexeres – theoretisches – Beispiel

User: Ich möchte eine Pizza Margherita heute um 12 Uhr ins Büro bestellen.

NLU bricht nun diesen Satz in die einzelnen Informationen auf:

  • die Absicht: Essens-Lieferung
  • die Menüwahl: Pizza Margherita
  • die Anzahl: eine
  • den Empfänger: in diesem Fall der sprechende User
  • die Lieferzeit: heute um 12 Uhr.
  • die Zieladresse: ins Büro

Damit der Chatbot diese Informationen verarbeiten und der Kurier die richtige Pizza zur richtigen Zeit am richtigen Ort an den richtigen Empfänger ausliefern kann, muss der Chatbot auf andere Systeme zurück greifen können, z.B. das Customer Relationship Management-Tool (CRM) oder einen E-Commerce-Shop.

Die meisten Chatbots würden heute an dieser Bestellung scheitern.

Der Grund: entscheidend ist über den Chatbot hinaus, ob und wie gut das Zusammenspiel mit anderen Systemen funktioniert. Wird der User erkannt? Hat er ein Zahlungsmittel hinterlegt? Ist seine Lieferadresse aktuell?

Ob eine solche verkaufsorientierte Experience einer klassischen Website oder einer Smartphone-App überlegen ist, gilt es im Desingprozess zu klären.

Damit das Risiko reduziert wird, dass ein solcher Sales- oder E-Commerce-Chatbot scheitert, könnte er die Informationen schrittweise abfragen. Im echten Leben erfolgt eine komplexe Buchung wie für einen Flug oder ein Hotelzimmer in einem Dialog zwischen Kunde und Agent meist nicht in einem Satz sondern über verschiedene Phasen im Verkaufsprozess.

Gebräuchlich ist heute, dass ein Chatbot oder ein Voicebot seinen Usern erst das Muster erklärt, wie eine Anfrage zu stellen ist. Der Chat- oder Voicebot trainiert also die User.

Kayak Chatbot in Microsoft Teams erklärt Usern, wie eine Eingabe erfolgen soll, damit er sie versteht
Der Kayak Chatbot in Teams traininert seine User
SRF erklärt auf seiner Website, wie die hauseigenen Voicebots mit Alexa aufgerufen werden können.

Aus Nutzersicht machen solch starre Befehle eine Unterhaltung aber nicht natürlicher.

AI-Chatbots lernen

Da ein Chatbot nicht von Anfang an alle Eingaben versteht und von echten Unterhaltungen lernen muss, wird der Chatbot mit der Zeit “intelligenter”, d.h. er kann die Eingaben seiner User besser verstehen und genauer darauf eingehen.

Braucht jeder Bot AI?

Nein.

“Organic intelligence goes a long way”

Pascal Rosenberger

In vielen Anwendungsfällen können Chatbots für ihre User bereits mit einem ausgeklügelten Regelsystem einen relevanten Mehrwert stiften.

Damit ein regelbasierter Chatbot aber zu einem positiven Nutzererlebnis führt, braucht es eine sorgfältige Planung.

Oder anders formuliert: je besser die Chatbot-Entwickler den Gesprächsverlauf und seine möglichen Wendungen antizipieren, umso zufriedener werden die User mit dem Dialog und dem Ergebnis der Konversation sein.

Was ist ein hybrider Chatbot?

Eine hybride Chatbotlösung kombiniert Mensch und Maschine: ein Teil einer Unterhaltung erfolgt automatisiert mit einem Chatbot, ein Teil wird von Agenten übernommen.

Ein Beispiel: ein Kundendienst-Chatbot beginnt eine Konversation mit einem Kunden. Weil der Chatbot aber mit den Eingaben nicht umgehen kann, bietet er dem Kunden an, den Chat mit einem Agenten weiter zu führen.

Der grosse Vorteil eines hybriden Chats: er kann auf die wiederkehrenden und allgemeinen Anliegen eingehen, leitet aber an einen Menschen weiter, wenn die Technologie an ihre Grenzen stösst.

Kunden bekommen so rasch eine Antwort auf einfache Frage und eine passende auf spezifische Anliegen. Zugleich sind Agenten von repetitiven Anfragen befreit und haben mehr Zeit für komplexere Fälle.

Was ist conversational AI?

Conversational AI sind dialogische Anwendungen wie ein Chatbot oder ein Voicebot, die auf auf Methoden der künstlichen Intelligenz setzen, damit Anwender in einem Dialog gewünschte Informationen erhalten.

Wofür sind AI-Chatbots geeignet?

  • um stärker auf die Anwender einzugehen, da sie das Szepter in der Hand halten
  • um eine natürlichere Unterhaltung zu simulieren, da User freier sind in der Texteingabe
  • um aus einem klar umrissenen Thema eine Auskunft zu geben (nicht breit “frag mich alles”)
  • um eine kurze Interaktion abzuwickeln wie z.B. Frage und Antwort

Was sind die Schwächen von AI-Chatbots?

  • eine offene Texteingabe kann User überfordern (“Was soll/kann ich tun?”)
  • grösseres Risiko, dass Kunden auf einen Pfad kommen, den der Chatbot nicht abdeckt oder sie ermuntert, etwas einzugeben, das der Chatbot nicht versteht
  • selbst AI-Chatbots sind noch nicht besonders gut darin, den Kontext einer Unterhaltung aufrecht zu erhalten.
  • teurer in Entwicklung und Unterhalt (Chatbot muss initial und wiederkehrend trainiert werden)
  • Braucht im Idealfall einem Menschen, der einspringt, wenn der Bot nicht weiter weiss

Photo by Alex Kondratiev

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Hallo 👋, ich bin Pascal Rosenberger und blogge hier über Chatbots & Co. Sie bringen Sprache, Kommunikation und Technologie zusammen. Das fasziniert mich. Wollen wir ins Gespräch kommen? Die Antwort kommt übrigens von mir persönlich, keinem 💬🤖.

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