Wenn Menschen mit Computern sprechen oder chatten, stellen sich ganz neue und besondere Herausforderungen im Design dieser Interaktion. Als UX Lead Conversational AI bei Swisscom sammelt Olivier Heitz Erfahrungen, die er hier im Chat und über eine eigene Community weiter gibt.

Auf einen Chat mit Olivier Heitz. Für den Chat haben wir Whatsapp genutzt.
Unsere Wege haben sich auf Social Media gekreuzt rund um Chatbots, Voice Interfaces & Co. Was ist Dein Zugang zum Thema?
Ich arbeite bei der Swisscom in einem Team, welches sich mich Chat- und Voicebots auseinandersetzt. Wir bauen ASR (Automatic Speech Recognition), NLU und Dialog-Komponenten für Messaging, IVR (Interactive Voice Response) und die TV Box. Mein Background ist in Design und UX. Ich versuche eine Brücke zu schlagen zwischen Business, UX und Data Science. Ein bisschen Systematik ins Vorgehen zu bringen aus UX und HCD Sicht 🙂
Ihr zählt sicher zu den Vorreitern in der Schweiz in Sachen Conversational Interfaces.
Es fühlt sich schon sehr nach Pionierarbeit an. Ich glaube, das ist ein wenig für die ganze Branche so. Wir sind bei Vielem einfach auch unsicher und probieren aus. Ein grosser Vorteil ist, dass wir viele Daten besitzen, die uns helfen zu verstehen, was die Kunden möchten und wie sie das formulieren.
Wir sind bei Vielem einfach auch unsicher und probieren aus.
Nach Deinen Erfahrungen: was macht eine Konversation als Interface so anders und besonders?
Oh, das ist sehr anders als bei einer Website oder App. Der Dialog ist linear und kann gleichzeitig viel weniger Inhalt kommunizieren als etwas Visuelles. Es fühlt sich aber auch viel “natürlicher” an, einfach über etwas zu sprechen, als eine ganze Website zu dekodieren und den gewünschten Inhalt selber zu finden.
Beim Designen solcher Lösungen ist vor allem etwas eine riesige Challenge für uns: der User kann sagen was er/sie will, wir müssen damit umgehen! Wir bauen vor allem Bots, die freie Text- oder Spracheingabe erlauben.
Ausserdem ist das Setup oder Szenario ja so, dass sich Kunden bei uns melden, die ein Anliegen haben und etwas lösen möchten und nicht bewusst einen Chatbot als Ansprechpartner wollen. Das hat etwas mit der Erwartungshaltung zu tun und das macht es nicht gerade leicht.
Der Dialog ist linear, kann sehr wenig Inhalt kommunizieren, fühlt sich dafür viel natürlicher an.
Das betrifft jetzt v.a. den Kundendienst, oder?
Ja genau. Wir arbeiten vor allem im Bereich Kundendienst mit den Channels Whatsapp, Apple Business Chat und SMS. zB sehen wir oft, dass Kunden mit unserem Chatbot gar nicht chatten, sondern halbe Emails in den Chatbot reinkopieren. Viel zu viel Information!
Das ist für viele Auftraggeber vermutlich eine Herausforderung: Der User 100 Prozent im Lead, Fokus auf einfache und wenig Inhalte, die kurz und knapp rüber zu bringen. Wie bringt man einen Auftraggeber so weit?
Es ist ein Prozess. Inzwischen sehen wir das Thema sehr breit. Im Fokus steht ein neues Kundenerlebnis. Natürlich geht es auch darum, dass wir das steigende Volumen von Anfragen meistern können und unseren Agenten mehr Zeit freischaufeln, für die komplexeren Anliegen unserer Kunden.
Woran arbeitet ihr gerade?
Im Moment beschäftigt mich auch, wie wir FAQ und Chitchat in die Bots bekommen. Also einfache Antworten auf “einfache Fragen”. Das würde den Kunden dann mehr bieten als nur eine Antwort oder einen Prozess anzustossen wenn es Probleme gibt.
Ausserdem können wir mit Context, also Sachen die wir schon aus Datensicht wissen, den Dialog und die Interaktion verkürzen und personalisieren und so weniger frustrierend und nützlicher gestalten. Nicht jeder bekommt die gleichen Antworten.
Wir arbeiten auch an einer technischen Lösung um Kunden über die verschiedenen Kanäle oder Touchpoints zu begleiten. Es zeigt sich, dass Wartezeit und Transfers von Kanal zu Kanal ein grosses Frustpotenzial für unsere Kunden sind.
Die Personalisierung ist für Kunden ein signifkanter Mehrwert. Aber auch ein signifikanter Zusatzaufwand für Unternehmen, da hin zu kommen…
Es gibt noch so viel zu tun!
Ihr habt kürzlich Whatsapp als neue Kontaktmöglichkeit für Kunden kommuniziert. Wie finden euch Kunden? Und wie habt ihr die Discoverability bei den anderen Chat-Kanälen wie zum Beispiel Apple Business Chat gelöst?
Whatsapp war ein Soft Launch oder wie sagt man, absichtlich etwas unter dem Radar. Wir sind seit einiger Zeit schon auf dem Kanal und möchten langsam mehr Traffic bekommen um noch besser zu verstehen, wie gut die Dialoge funktionieren.
Im Moment finden uns die Kunden über die Kontaktseite der Website. In Zukunft wird conversational aber in viel mehr Bereichen Einzug finden. Von der Website, zum Shop, zum Tel. zum Digitalen Assistant.
Welches Feedback bekommt ihr von Kunden? Ist diese Art des Kundendienstes willkommen oder wird sie noch eher skeptisch beäugt?
Wir bekommen sehr viel gutes Feedback, da Kunden, die Messaging nicht schätzen, den Kanal nicht nutzen würden. Was aber sicher noch eine grosse Herausforderung ist, ist dass die Intent Recognition nicht immer treffsicher ist und wir noch zu oft an Agenten weiterleiten müssen. Vorteil ist da aber, dass der Agent dann den Chatverlauf sieht und nicht nochmals alle Fragen stellen muss.
Im Bereich IVR, also Telefonkontakt, ist die Sache ein bisschen anders. Da sind wir noch stärker am Lernen inwiefern die Kunden da Automatisierung akzeptieren oder wünschen. In der Schweiz sind conversational IVRs noch nicht so verbreitet und eher ungewohnt. Und erst Voice Assistants. Ziemlich viel Neuland für die User und uns. 😅

Danke für den Einblick. Neben Deinem Job baust Du spoken.parts auf. Worum geht’s da?
Ich habe immer mehr das Bedürfnis mich mit anderen auszutauschen, zu lernen und unsere Erfahrung weiterzugeben. Es gibt so viele Fragen im Bereich Best Practices von Conversation Design und wenn ich mich an die Zeit erinnere, wo UX aufkam und bis das eine hohe Maturität erlangt hat, sehe ich jetzt, dass das auch für Conversational Interfaces nötig wird. UX spielt eine noch viel zu untergeordnete Rolle.
Spoken Parts ist ein Versuch, einen Austausch herzustellen. Vor 5 Jahren habe ich mit etwas ähnlichem für Sketch gestartet und viel Erfolg gehabt. Das möchte ich wiederholen. Oder immerhin versuchen. Es ist ein Experiment. Ein Sideproject.
Und wie erfolgt dieser Austausch?
Die Idee ist, dass mal die Community frägt und Antworten von anderen bekommen kann. Ähnlich wie eine Facebook Gruppe. Schau mal auf Sketchtalk, das ist die grosse Schwester ☺
Ich denke aber auch, dass ich live Meetups und Austausch organisieren muss und nicht nur online.
Sehr lobenswert! Im jetzigen Stadium ist der Erfahrungsaustausch ein Gewinn für alle.
Sharing is caring!
Hast Du Events geplant?
Ja, so ganz fix geplant sind ein paar Talks und eine Gastdozedur an der ZHAW, aber eigentlich möchte ich eine Art Stammtisch. Einen low-barrier regelmässigen Austausch mit anderen Conversation Designern. Wie genau weiss ich noch nicht.
Oft sind einfach auch Zeit und Energie begrenzt. Mein Job ist sehr einnehmend und ich versuche das Sharing Thema nebenbei voranzutrieben.
Das Format dürfte sich wohl mit der Zeit heraus schälen. An wen richtet sich die Community, eher Design, Tech oder Business?
Eher Design und Business. Tech gibts schon recht viel finde ich. Vielleicht hast du ja noch eine Idee für mich wie ich das Ding zum Laufen bringen kann?
Das Wichtigste dürfte sein, los zu legen. Also ich bin dabei, wenn der erste/nächste Stammtisch ansteht. Danke für den Chat.
Zur persönlichen Website von Olivier Heitz.
Foto: Danke NASA Goddard Space Flight Center, Licence CC BY 4.0